Rechtsprechung Nachbau
- BGH-Entscheidung zum Handel mit Erntegut - Az. X ZR 70/22 -
Unterbliebene Zahlung der Nachbaugebühren gefährdet Vermarktung der Ernte
Die jüngste Erntegut-Entscheidung des BGH bringt Veränderungen beim Absatz von Erntegut
Was hat der BGH entschieden?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Erntegut-Entscheidung vom 28. November 2023 (X ZR 70/22) festgestellt, dass Händler von Erntegut geschützter Sorten sicherstellen müssen, dass dieses unter Einhaltung der sortenschutzrechtlichen Bestimmungen erzeugt wurde. Ergreifen sie keine geeigneten Maßnahmen, um eine legale Erzeugung sicherzustellen, verletzen sie mit dem Handel des widerrechtlich erzeugten Materials selbst die Sortenschutzrechte.
Wie war der Ausgangsfall des Urteils?
Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, bei dem Landwirte Erntegut an einen Erfassungshändler verkauft hatten, welches aus nichtlizenziertem Saatgut – und damit widerrechtlich – erwachsen war. Das Handelsunternehmen, das keine geeigneten Maßnahmen ergriffen hatte, um sicherzustellen, dass das angekaufte und später weiter gehandelte Material rechtmäßig – unter Einhaltung sortenschutzrechtlicher Bestimmungen – erzeugt worden war, wurde abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.
Sowohl der BGH als auch die mit dieser Sache vorher befassten
Gerichte stellten übereinstimmend fest, dass Sortenschutzinhaber ihre Rechte auch am Erntegut gegenüber dem Erfassungshändler sowie allen in der Lieferkette folgenden Händlern geltend machen können, wenn es ihnen nicht möglich war, ihre (Primär-)Rechte am Vermehrungsmaterial zum Zeitpunkt der Vermehrung zu wahren.
Was macht der Händler, wenn das Erntegut nicht rechtmäßig erzeugt wurde?
Händler haben vor Ankauf die Pflicht, zu überprüfen, ob das Erntegut rechtmäßig erzeugt wurde. Wurde das Erntegut widerrechtlich erzeugt, kann der Händler die Ernte nicht ankaufen, denn der Handel mit solchem Material stellt für den Händler eine eigene Sortenschutzrechtsverletzung dar, die er nicht riskieren kann.
Wann ist Erntegut rechtmäßig erzeugt?
Eine Ernte aus geschützten Sorten erwächst grundsätzlich dann rechtmäßig, wenn der Sortenschutzinhaber rechtzeitig eine Lizenzgebühr erhalten hat. Wird Z-Saatgut eingesetzt, wird die Ernte rechtmäßig erzeugt. Dasselbe gilt, wenn Nachbausaatgut eingesetzt wird und der Landwirt die gesetzlichen Nachbaubedingungen einhält.
Wann genau ist der Nachbau rechtmäßig?
Nachbau ist immer dann rechtmäßig, wenn eine vollständige Zahlung des betriebenen Nachbaus bis zum 30.06. des betreffenden Wirtschaftsjahres erfolgt. Abgesehen von den Fällen, in denen eine Verpflichtung zur Nachbaumeldung (Auskunftserteilung) besteht, können die Nachbaugebühren selbst errechnet und müssen dann bis zum 30.06. desselben Wirtschaftsjahres direkt an die STV überwiesen werden. Wird der Nachbau zu spät (nach dem 30.06.) oder unvollständig gemeldet oder wird die Nachbauentschädigung nicht fristgerecht bezahlt, handelt es sich nicht um rechtmäßigen Nachbau. Wir empfehlen Ihnen die vollständige Meldung des Nachbaus bis zum 30.06., denn dann erhalten Sie bequem eine Nachbaurechnung und können diese innerhalb des gesetzten Zahlungsziels begleichen.
Was sollten Landwirte jetzt tun?
Wir empfehlen, den Händler anzusprechen, an den die Ernte verkauft werden soll. Mit diesem sollte frühzeitig geklärt werden, auf welche Weise er die rechtmäßige Erzeugung der Ernte sicherstellen wird und welche Dokumente er ggf. einsehen möchte.
Die meisten Landwirtinnen und Landwirte bezahlen die Nachbaugebühren bereits pflichtgemäß. Diejenigen, die ihren Nachbau bisher nicht oder nicht vollständig gemeldet bzw. gezahlt haben, sollten ihr Verhalten ändern und sich ab sofort an die Nachbaubedingungen halten. Andernfalls laufen sie Gefahr, dass der Handel die Ernte nicht aufnimmt und die Vermarktung der Ernte damit gefährdet ist.
- Nachbau: Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Nachbauregelung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem sogenannten Vogel-Urteil am 25. Juni 2015 (Rs C – 242/14) klargestellt, dass nachbauende Landwirte dazu verpflichtet sind, ohne eine vorangegangene Aufforderung des Sortenschutzinhabers von sich aus tätig zu werden und die geschuldete Nachbaugebühr bis zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres der Aussaat (30.6.) zu zahlen. Tun sie dies nicht, begehen sie eine Sortenschutzrechtsverletzung mit entsprechenden rechtlichen Folgen. Kleinlandwirte sind von der Zahlungspflicht der Nachbaugebühren befreit. Die Ansprüche der Sortenschutzinhaber aufgrund der Sortenschutzrechtsverletzungen verjähren – soweit keine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der konkreten Verletzungshandlung besteht – nach dem deutschen Sortenschutzrecht (SortG) in zehn Jahren und nach dem europäischen Sortenschutzrecht (GemSortV, Verordnung (EG) Nr. 2100/94), in 30 Jahren von dem Tag der Verletzungshandlung an.
Fünf Antworten zur Aktuellen Nachbaurechtsprechung des EuGH
1. Was ist der Hintergrund des „Vogel-Urteils“ des Europäischen Gerichtshofes?
Mit seiner Entscheidung vom 25. Juni 2015 (Rs. C-242/14) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Grundsatzentscheidung zur Verpflichtung zur Zahlung der Nachbaugebühren getroffen. Ein landwirtschaftlicher Betrieb war auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe der vollen Z-Lizenzgebühr in Anspruch genommen worden, weil er Nachbau betrieben hatte, ohne die Nachbaugebühren zu entrichten.
2. Was hat der EuGH letztendlich entschieden?
Der EuGH hat festgestellt, dass der Landwirt nur dann rechtmäßigen Nachbau betreibt, wenn er bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Aussaat (30.6.) die geschuldeten Nachbaugebühren zahlt. Die Verpflichtung zur Zahlung der Nachbaugebühren ist weder von einer vorherigen Zahlungsaufforderung, noch von dem Bestehen oder Nichtbestehen oder gar der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs abhängig. Der Landwirt muss also von sich aus tätig werden und ohne entsprechende Aufforderung die Nachbaugebühren bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Aussaat (30.6.) zahlen. Wenn ihm hierzu Informationen fehlen sollten, ist der Landwirt verpflichtet, diese bei dem jeweiligen Pflanzenzüchter oder der STV zu erfragen.3. Und welche Konsequenzen ergeben sich konkret für den Landwirt daraus?
Dieses Urteil hat zur Konsequenz, dass jeder Landwirt, der seine Verpflichtung zur Zahlung der Nachbaugebühr nicht bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Aussaat (30.6.) erfüllt, eine Sortenschutzverletzung begeht. Um keine Sortenschutzverletzung zu begehen, müssen Landwirte demnach selbstständig bis spätestens zum Ende des Wirtschaftsjahres der Aussaat (30.6.) die fälligen Nachbaugebühren zahlen. Alternativ dazu bietet die STV allen Landwirten an, dass diese bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Aussaat (30.6.) ihren im jeweiligen Wirtschaftsjahr betriebenen Nachbau vollständig melden können. Sodann wird die STV für den Landwirt die zu zahlenden Nachbaugebühren berechnen und diesem eine Rechnung übermitteln, die dann innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist zu begleichen ist.4. Heißt das, dass der Landwirt jetzt immer Auskunft erteilen muss?
Die Anhaltspunkterechtsprechung bleibt unberührt, d. h. ein Landwirt ist zur Auskunft über seinen Nachbau verpflichtet, wenn der Züchter den Landwirt auf Grundlage entsprechender Anhaltspunkte zur Auskunft auffordert. Aber: Auch wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, muss der Landwirt dennoch eigenständig die Nachbaugebühren bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Aussaat (30.6.) zahlen. Die Zahlungs- und die Auskunftspflicht sind voneinander unabhängig! Bei unerlaubtem Nachbau wird der Züchter seine ihm zustehenden Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Zudem begeht der Landwirt im Falle des unerlaubten Nachbaus auch eine Straftat.5. Womit muss der Landwirt rechnen, wenn er gegen die Nachbaubedingungen verstößt?
Wer die Nachbaubestimmungen nicht einhält, begeht eine Sortenschutzverletzung. Der Landwirt schuldet dem Züchter in diesem Fall Schadensersatz in Höhe einer vollen Z-Lizenzgebühr, sowie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung (Vertragsstrafe für den Fall nochmaliger Zuwiderhandlung im Regelfall 6.000 €). Außerdem darf der Landwirt den aus dem unberechtigten Nachbau erzeugten Aufwuchs nicht in den Verkehr bringen (Verbot der Vermarktung der Konsumware). Darüber hinaus ist eine Sortenschutzverletzung eine Straftat, die auf Antrag durch die Strafverfolgungsbehörden verfolgt wird.- Mobile Aufbereitung – Maschinenvermietung oder Lohnaufbereitung
Urteile von BGH und OLG Dresden Die Frage, wann der Betreiber mobiler Aufbereitungsanlagen eine Lohnaufbereitung vornimmt und wann es sich um eine Maschinenvermietung handelt, wurde von den Gerichten bereits umfassend geklärt.
Mit Urteil vom 14.02.2006 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass derjenige, der Dritten eine Aufbereitungsanlage zur Verfügung stellt, dann als gewerblicher Aufbereiter (Fremdaufbereiter) gilt, wenn er in den Prozess der Aufbereitung eingeschaltet ist und nicht nur bei Gelegenheit (hier nennt der BGH als Bsp. die „Bewirtung des Personals“) tätig wird (siehe Urteil BGH, X ZR 185/03), so dass er auf Informationen stoßen kann, die für die Erfüllung der Auskunftspflicht von Bedeutung sein können. Ist also Personal des Aufbereiters in den Aufbereitungsprozess eingeschaltet, handelt es sich um eine Lohnaufbereitung.
Die Rechtsprechung des BGHs wurde durch das Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 20.03.2018, Az. 14 U 457/15, Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingereicht) vor kurzem weiter konkretisiert. Insoweit hat das OLG ergänzend zur Rechtsprechung des BGHs ausgeführt, dass es sich bereits dann, wenn die Aufbereitungsmaschine mit den fruchtartspezifischen Einstellungen versehen, von Mitarbeitern des Aufbereiters auf den Hof des Landwirts aufgebaut wird und die Mitarbeiter mit der ordnungsgemäßen Gebrauchsüberlassung der Aufbereitungstechnik und auf Anforderung mit der Behebung von Defekten betraut werden […], um eine gewerbliche Lohnaufbereitung handelt.
Fazit: Die Bedienung der Aufbereitungsmaschinen ist komplex und bedarf professioneller Handhabung. Diesseits ist kein Fall bekannt, bei dem eine Maschine ohne jedes Bedienpersonal Landwirten überlassen wird, weshalb es sich in den allermeisten Fällen um eine Lohnaufbereitung und nicht um eine Selbstaufbereitung (Maschinenvermietung) handeln dürfte.
- Saatgutaufbereiter müssen Sorten erfragen und aufzeichnen!
BGH Urteil (I ZR 215/15) zur Aufzeichnungspflicht nach SaatAufzV Mit seinem Urteil vom 27.04.2017 hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass gewerbliche Aufbereiter zur Erfüllung ihrer Aufzeichnungspflicht aus § 27 Saatgutverkehrsgesetz (SaatG) i.V.m. § 1 Saatgutaufzeichnungsverordnung (SaatAufzV) eine aktive Erkundigungspflicht gegenüber ihrer Kunden haben, um sich Kenntnis der Sortenbezeichnung des aufzubereitenden Materials zu verschaffen. Insoweit muss der Aufbereiter zumutbare Anstrengungen unternehmen, um an diese Informationen zu gelangen.
Außerdem hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass Nachbausaatgut unter die Bestimmungen der SaatAufzV fällt. Über diese Frage bestand lange Zeit Uneinigkeit, wobei kein Gericht je Zweifel daran hatte, dass die Aufbereiter auch bei der Aufbereitung von Nachbausaatgut den Bestimmungen der SaatAufzV unterliegen.
Darüber hinaus sieht der BGH in der Verletzung der Aufzeichnungspflichten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht (UWG), der eine Abmahnung durch andere im Wettbewerb stehende Unternehmen rechtfertigt.
Die Aufzeichnungsverpflichtung besteht unbedingt. Die SaatAufzV sieht keinen Ausnahmetatbestand für den Fall vor, dass der Aufbereiter die Sorte nicht in Erfahrung bringen kann. Die Aufbereitung darf letztendlich nur dann erfolgen, wenn dem Aufbereiter die Sorte des aufzubereitenden Materials bekannt wird. Gelingt es dem Aufbereiter nicht, eine Sorte in Erfahrung zu bringen, ist unseres Erachtens allenfalls denkbar, dass er eine Probe zieht und anhand dessen eine Sortenanalyse vornehmen lässt. Andernfalls muss von einer Aufbereitung Abstand genommen werden.
Verstöße gegen die SaatAufzV stellen außerdem Ordnungswidrigkeiten dar, die in jedem Einzelfall mit einem Bußgeld von bis zu 5.000,00 € geahndet werden können (§ 60 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 2 Alt. 2 SaatG).
- Urteil des EuGH zur Nutzung relevanter Daten aus den InVeKoS-Daten
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem Urteil vom 17.10.2019 (Rs. C-239/18) entschieden, dass Sortenschutzinhaber keine Möglichkeit haben nach Art. 11 der Gemeinschaftlichen Nachbauverordnung (VO (EG) Nr. 1768/95) von amtlichen Stellen Auskünfte zu verlangen, wenn sie in ihrem Ersuchen nicht die geschützte Sorte, für die diese Auskünfte verlangt werden, konkret benennen.
Das Ansinnen der Sortenschutzinhaber, das Nachbauverfahren durch Nutzung relevanter Daten aus den Agrarantragsdaten (InVeKoS-Daten) der Bundesländer zu vereinfachen, ist vorläufig gescheitert.
In dem Verfahren ging es um einen Anspruch der Sortenschutzinhaber auf Übermittlung von Informationen gegenüber amtlichen Stellen, der sich aus dem EU-Sortenschutzgesetz ergibt.
Die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) hatte neben den Namen und Anschriften der landwirtschaftlichen Betriebe auch Angaben zur Größe der Anbauflächen - und diese aufgeteilt nach Kartoffel- und Getreideanbaufläche - erbeten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2019 klargestellt, dass im Auskunftsersuchen die geschützte Sorte konkret benannt werden muss, für die diese Auskünfte verlangt werden.
Die Kenntnis der Größe der Getreide- und Kartoffelanbauflächen hätte es der STV erlaubt, Kleinlandwirte, die von der Zahlung von Nachbaugebühren befreit sind, aus dem Nachbauverfahren von vornherein herauszunehmen. Das hätte das Verfahren für alle Beteiligten vereinfacht. Darüber hinaus hätten diese Informationen weitere Fairness im Nachbauverfahren gebracht.
Der Generalanwalt, der wie der Gerichtshof den Anspruch verneinte, hatte in seinen Schlussanträgen seinerzeit zum Ausdruck gebracht, dass die Einholung von Informationen [und damit die Durchsetzung der gesetzlichen Nachbauansprüche] durch die früheren Urteile des EuGHs in den Sachen „Schulin“ und „Brangewitz“ „zur Herausforderung [für die Sortenschutzinhaber] wird“; er machte einen Fingerzeig in Richtung EU-Kommission, die für die Verbesserung des Gesetzes zuständig ist.
Aktuell entgeht den Züchtern ca. die Hälfte der anfallenden Nachbaugebühren durch nicht gemeldeten Nachbau. Die STV setzt sich auf der Grundlage bestehender Gesetze für eine flächendeckende Erhebung der Nachbaugebühren ein. „Die Honorierung der erheblichen Investitionen, die die Pflanzenzüchter in Deutschland tätigen, um moderne und innovative Sorten zu entwickeln sowie ein fairer Saatgutmarkt sind die Voraussetzungen dafür, dass Landwirte auch in Zukunft von leistungsstarken Sorten profitieren und bestes Saatgut als Betriebsmittel einsetzen können. Dies wird vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen und der schwindenden Möglichkeiten des Pflanzenschutzmitteleinsatzes immer wichtiger.“, sagt Dr. Carl- Stephan Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP).